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Ein artikel von ANDERS & GLEICH

Ich sage, ich bin trans* und du verdrehst die Augen?

Trans* zu sein bedeutet, dass die Geschlechtsidentität einer Person nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Dieser Begriff umfasst sowohl binäre (trans Männer und trans Frauen) als auch nicht-binäre Personen (Menschen, die sich weder ausschließlich als männlich noch als weiblich identifizieren). 

Trans* Personen sind in unserer Gesellschaft noch immer viel Diskriminierung und Abwertung ausgesetzt. Dies reicht von einem Nicht-Ernstnehmen oder Belächeln bis hin zu verbaler und körperlicher Gewalt. Erhebungen der EU-Grundrechteagentur ergaben, dass 57% der befragten trans* Personen aus Deutschland in den letzten zwölf Monaten diskriminiert oder belästigt wurden.[1] Diese Diskriminierung kann in den verschiedensten Lebensbereichen geschehen. Die Studie  „Out im Office?!“[2] ergab, dass trans* Personen auch am Arbeitsplatz verschiedenste Formen der Diskriminierung erleben. 31% der Befragten gaben an, dass sie aufgrund ihrer Geschlechtsidentität ausgeschlossen wurden oder der Kontakt abgebrochen worden sei, 31% berichten von der Imitierung oder Herabwürdigung ihrer Stimme und Gestik, 12% wurde der Kund*innenkontakt entzogen und 8% wurde gekündigt aufgrund ihres trans* Seins. Zuverlässige Statistiken zu Gewalttaten im öffentlichen Raum sind schwierig zu finden, da lange Zeit nicht zwischen den verschiedenen queerfeindlichen Straftaten unterschieden wurde. Das bedeutet, homofeindliche Straftaten lassen sich in älteren Statistiken gar nicht und auch heute nicht immer von trans*feindlichen Straftaten unterscheiden. Außerdem ist bei allen queerfeindlichen Straftaten von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da viele queere Menschen Angst davor haben, bei der Polizei nicht ernst genommen oder erneut diskriminiert zu werden. Allgemein lässt sich eine beunruhigende Entwicklung feststellen: Die Zahl queerfeindlicher Gewalttaten steigt jährlich an. 2021 wurden dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst 870 Hassdelikte im Bereich „Sexuelle Orientierung“ gemeldet, 2022 waren es 1005, 2023 waren es 1500. Damit stieg diese Zahl im sechsten Jahr in Folge auf einen eindeutigen Höchststand.

Gerade junge trans* Personen sehen sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Identität sei lediglich ein „Trend“ oder eine Phase. Dies entspricht jedoch nicht der Realität. Viele junge Menschen wissen sehr genau, wer sie sind und was sie wollen. Sie verdienen Unterstützung und Anerkennung, anstatt der Infragestellung ihrer Erfahrungen und Gefühle. Trans* Menschen gibt es nicht erst seit gestern oder dem 21. Jahrhundert. Sie sind und waren schon immer Teil unserer Gesellschaft. Historische Aufzeichnungen und verschiedene Kulturen weltweit belegen, dass trans* Personen schon lange vor der heutigen Zeit existierten. Es gibt beispielsweise eindeutige Hinweise in prähistorischen Gräbern aus der Stein- und Bronzezeit.[3]

Das Recht auf Existenz und Sicherheit ist ein grundlegendes Menschenrecht

Trans* Personen haben, wie alle anderen auch, das Recht, gefahrlos und ohne Diskriminierung zu leben. Leider sind Diskriminierungserfahrungen für viele trans* Menschen allgegenwärtig. Dies äußert sich in sozialen Ausgrenzungen, verbalen und physischen Übergriffen sowie rechtlichen Hürden. Beispielsweise stoßen viele trans* Personen auf gesellschaftliche oder bürokratische Hindernisse, wenn sie mit einer Hormonersatztherapie starten möchten, geschlechtsangleichende Operationen bei ihrer Krankenkasse beantragen oder ihren Namen und Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten ändern wollen. Dies kann zu erheblichen Belastungen im Alltag führen, sei es bei der Arbeitssuche, der Gesundheitsversorgung oder der Interaktion mit Behörden. Eine Erleichterung der Namens- und Personenstandsänderung schafft das kürzlich vom Bundestag verabschiedete „Selbstbestimmungsgesetz“. Dieses Gesetz wird den Vorgang der Namens- und Personenstandsänderung für trans* Personen künftig deutlich vereinfachen.

Durch den Beschluss des Gesetzes und der daraus resultierenden medialen Aufmerksamkeit in der trans* Personen dadurch aktuell stehen, werden allerdings auch negative Stimmen lauter. Transfeindliche Menschen machen gezielt Stimmung gegen das Selbstbestimmungsgesetz, obwohl dieses eine massive Erleichterung der sozialen Transition für viele trans* Personen bedeutet. In rechtskonservativen und rechtsextremen Kreisen werden trans* Personen zum neuen Feindbild erklärt und generell Stimmung gegen die Rechte von trans* Personen gemacht.

Um dem entgegenzuwirken, ist die Akzeptanz und Unterstützung von trans* Personen nicht nur eine Frage des Respekts, sondern auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Indem wir Vorurteile abbauen und trans* Menschen in ihrer Identität anerkennen, tragen wir zu einer gerechteren und menschlicheren demokratischen Gesellschaft bei. Jeder Mensch verdient es, in seiner Identität respektiert und wertgeschätzt zu werden. Dies gilt auch für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen.

Zum Weiterlesen: Nicht-binäre Menschen gab es bereits in der Steinzeit | National Geographic

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