Ein artikel vom NS-DOK
...von 55 im Jahr 2021 über 83 im Folgejahr auf 176 antisemitische Vorfälle im Jahr 2023.[1] Die in Köln dokumentierten Vorfälle zeugen dabei deutlich von der Tatsache, dass Antisemitismus heutzutage unterschiedliche Ausdrucks- und Erscheinungsformen kennt: Er äußert sich in Form von Verschwörungsmythen wie der Vorstellung, Jüdinnen*Juden würden nach „Weltherrschaft“ streben; oder als Post-Schoa-Antisemitismus, etwa wenn der Holocaust geleugnet oder relativiert wird.
Besonders verbreitet stellt sich in den letzten Jahren der israelbezogene Antisemitismus dar: hierzu gehören antisemitische Vorstellungen, die auf den Staat Israel projiziert werden, aber auch körperliche Übergriffe auf Kölner Jüdinnen*Juden, die dabei von den Täter*innen mit dem Staat Israel assoziiert wurden. In einer weiteren Erscheinungsform des Antisemitismus, dem sogenannten Othering, werden Jüdinnen*Juden als „fremd“ oder „nicht-zugehörig“ erklärt. Hierunter fallen auch zahlreiche antisemitische Äußerungen, die zwar keine Straftat darstellen, aber dennoch überaus verletzend auf Betroffene wirken können. Hinter den Fallzahlen stehen dabei reale Menschen, die in ihrem Alltag mit Antisemitismus konfrontiert waren. Insbesondere antisemitische Anfeindungen im Wohnumfeld, am Arbeitsplatz oder in der Schule gehen häufig mit erheblichen Belastungen oder Einschränkungen im Leben der Betroffenen einher.
Nach dem 7. Oktober 2023, als die Hamas in Israel den größten Massenmord an Jüdinnen*Juden seit der Schoa begangen hat, stieg gerade in diesen Kontexten die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Köln. Insgesamt verging bis zum Jahresende 2023 im Durchschnitt kein Tag ohne dokumentierten antisemitischen Vorfall in Köln. Doch auch ohne „Anlässe“[2] wie dem 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg in Gaza werden Jüdinnen*Juden in Köln, die als solche zu erkennen sind, immer wieder auf offener Straße oder im öffentlichen Nahverkehr antisemitisch angefeindet.[1] So etwa am 27. Januar 2023, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, als einem jüdischen Schüler auf dem Nachhauseweg von der Schule die Worte „Ab nach Auschwitz!“ zugerufen wurde. Betroffene sprechen in solchen Fällen häufig von mangelnder Unterstützung durch anwesende Zeug*innen, was teilweise als schlimmer empfunden wird, als die eigentliche antisemitische Aussage.
Umso wichtiger ist es, sich mit Betroffenen zu solidarisieren und sich im Alltag gegen jede Form von Antisemitismus und auch allen anderen Ideologien der Ungleichwertigkeit zu engagieren. Unterstützen Sie die Fachstelle gegen Antisemitismus im NS-Dokumentationszentrum in dieser wichtigen Aufgabe: Melden Sie antisemitische Vorfälle unter www.antisemitismus-melden.koeln
1] Erfasst wurden die Zahlen von der im September 2020 im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln angesiedelten Meldestelle für antisemitische Vorfälle in Köln. Dokumentiert werden sowohl antisemitische Straftaten, als auch Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Die Meldestelle verfolgt das Ziel, Betroffene von Antisemitismus zu unterstützen und gesellschaftlich für Antisemitismus als Problem der Gegenwart zu sensibilisieren. Zur Fachstelle gehört auch Bildungsarbeit sowie Beratung für Betroffene von Antisemitismus.
Weitere Infos: www.nsdok.de/fachstelle
[2] Derartige „Anlässe“ oder auch „Gelegenheitsstrukturen“, zu denen beispielsweise auch die Corona-Pandemie gehörte, bieten unter bestimmten Voraussetzungen eine Möglichkeit für Personen, sich antisemitisch zu äußern. Der „Anlass“ selbst ist dabei der Grund für die antisemitische Äußerung, sondern bietet lediglich einen Rahmen für diesen. Siehe Bundesverband RIAS e.V.: Bericht dokumentierter antisemitischer Vorfälle, 27. Juni 2023.
Antisemitische_Vorfaelle_in_Deutschland_Jahresbericht_RIAS_Bund_2022 (8).pdf
[3] Eine genaue Analyse, inklusive (anonymisierter) Beispiele, findet sich im Jahresbericht „Antisemitische Vorfälle in Köln 2023“.